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MEXIKO ERLEBEN Das Erdbeben

19. September 2017, kein Dienstag wie jeder andere...

Für diesen Tag ist in Mexiko - Stadt ein Probealarm bzw. eine Übung für den Ernstfall eines Erdbebens geplant. 

 

Das Thema hat seit dem Beben vom vergangenen 7. September besondere Brisanz.

 

Es ist circa zehn Uhr morgens, als ich, bepackt mit meiner Kamera, von meiner Casita in Coyoacan in Richtung Zentrum der Stadt aufbreche.

 

 

Ich schnappe mir einen Pesero (mehr über den Pesero lesen) der mich zur nächsten Metro-Station in Taxqueña bringt, von da sind es elf Stationen bis zum Zócalo, dem Hauptplatz von Mexiko - Stadt (mehr über den Zócalo lesen).

 

Dieser Ort scheint mir aufgrund seiner Größe und der Vielzahl an Metro - Stationen am geeignetstenum dieses Spektakel zu dokumentieren.

 

Mich interessiert vor allem, wie schnell die Menschen aus dem “Untergrund” nach oben kommen, um sich, wie im Ernstfall notwendig, in Sicherheit zu bringen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um Punkt elf Uhr steige ich die Treppen von der Metro - Station direkt vor der Kathedrale nach oben, doch noch höre ich keinen Alarm.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eigenartig - das Leben scheint hier  seinen ganz gewohnten Lauf zu gehen.....

 

 

Einige LKW`s sind dabei die letzten Teile der Großtribünen wegzuschaffen, die noch vor einigen Tagen, anlässlich des Nationalfeiertags, aufgebaut waren, an dem Tausende von Mexikanern dem traditionellen “Grito de Dolores” des mexikanischen Präsidenten folgten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nichts deutet darauf hin, dass hier ein Probealarm stattfinden sollte, das Einzige, das mir auffällt ist, dass die mexikanische Nationalflagge, im Gedenken an die Opfer des Erdbebens von vor zwölf Tagen, auf Halbmast hängt.

 

 

Einige Bundesstaaten, wie Oaxaca und Chiapas sollen davon heftig getroffen worden sein, viele Häuser stürzten ein und es gab Todesopfer. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

“ STOISCHE RUHE “

Mein Uhr zeigt mittlerweile 11:15.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Guardians des mexikanischen Künstlers Xavier Mascaró blicken stoisch über den großen Platz, ein mexikanischer Reiseführer erklärt in einwandfreiem Englisch einer Gruppe von Amerikanern die Geschichte der Kathedrale,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schuhputzer studieren die Neuigkeiten der mexikanischen Tageszeitungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht einmal die Tauben des Zokalo scheinen zu ahnen, was sich in wenigen Stunden hier ereignen wird. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kein Alarm, kein Polizeiaufgebot, keine Probeübung.

 

Daran wird wohl auch der Hubschrauber, der kurz über den Platz fliegt, nichts mehr ändern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daran wird wohl auch der Ich beschließe, den angebrochenen Tag zu nutzen und besuche zunächst eines der vielen Museen, danach schlendere ich noch ein wenig durch die Straßen.

 

DREIZEHN - UHR - FÜNFZEHN - UND - VIERZIG - SEKUNDEN

 

 

 

Ich befinde mich in der Umkleidekabine eines Bekleidungsgeschäftes, als sich die Wände zu verschieben beginnen, der Boden heftig rüttelt und ich beinahe das Gleichgewicht verliere.

 

 

 

 

Einige Schrecksekunden lang versuche ich zu realisieren, was vor sich geht, doch als ich aus dem vorderen Teil des Geschäftes aufgeregte Rufe und eigenartige Geräusche wahrnehme und das Rütteln nur noch heftiger wird, reagiere ich nur noch ohne viel darüber nachzudenken.

 

 

Ich schnappe meinen Rucksack und meine Kamera und versuche, so schnell wie möglich aus der Kabinentür zu kommen.

 

 

 

Nichts wie raus hier”.

 

 

 

 

Mir schlottern die Knie, der lange Schlauch des Geschäftes erscheint mir endlos.

Die Kleiderständer auf Rollen haben sich verselbständigt und versperren mir beinahe den Parcours zum Ausgang.

Am Eingang ein Wachmann, der mir mit gestikulierenden Handbewegungen zu verdeutlichen scheint, dass ich mich beeilen sollte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Endlich - ich bin draußen auf der Straße und das heftige Rütteln zwingt mich zu Boden.

 

 

Die Erde rüttelt, die Gebäude wackeln, Staub wirbelt durch die Luft. Die Menschen laufen durcheinander, rufen, weinen, wischen augeregt über die Displays ihrer Mobiltelefone und viele halten sich wie aneinandergekettet fest.

 

Das Geschehen wirkt surreal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unweit von meinem Standpunkt scheint es im Inneren eines Gebäudes eine Explosion zu geben, plötzlich zerbersten Fensterscheiben und Staub dringt auf die Straße.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Endlose Sekunden lang verharre ich am Boden hockend, aber als ich das Gefühl habe, die Erdstöße hätten nachgelassen, stehe ich auf und versuche mit meiner laufenden Kamera das Geschehen einzufangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KOLLEKTIVER SCHOCK

 

Für Einige ist der Schock sehr groß - diese Frau ist ohne Bewusstsein und Passanten bemühen sich, Erste Hilfe zu leisten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl das Beben nach einigen Minuten offensichtlich vorbei ist, die Lampen in einem nahegelegenen Café wackeln noch immer ganz aufgeregt und ich fühle mich wie auf einem sinkenden Schiff - mein Gleichgewichtssinn ist anscheinend völlig durcheinandergeraten. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CHAOS und DISZIPLIN

Die Polizei und Sicherheitsorgane beginnen einsturzgefährdete oder beschädigte Gebäude abzusichern, Geschäftsleute  schließen ihre Läden.

 

Ich lasse mich mit der Menschenmenge weitertreiben in Richtung Bellas Artes, den großen Palast am nächstgelegenen großen Platz mit dem angrenzenden Alameda Park.

Der Verkehr ist am Kollabieren, der öffentliche Transport und die Telefonleitungen liegen lahm.

Der Versuch, meinen Freund zu erreichen, der sich im Süden der Stadt befindet, schlagen fehl. Hoffentlich geht es ihm gut!

 

 

 

 

 

 

Vor dem Palast Bellas Artes haben sich bereits Hunderte von Menschen eingefunden, einige von ihnen mit aufgeregtem Blick in Richtung zweier Gebäude, die den Platz säumen. 

Zwischen zwei äußerst robust wirkenden relativ hohen Gebäude klafft ein gewaltiger Spalt und langsam wird mir klar, dass das Rütteln und Schütteln nicht nur körperlich spürbar war, sondern auch sichtbare äußere Schäden verursacht hat.

 

DIE ANGST VOR DER RÉPLICA

 

 

Für mich war schon das erste Beben vom 7. September ein außergewöhnliches und unangenehmes Erlebnis.

 

Sicher, auch in Österreich habe ich schon mal die eine oder andere leichte Erdbewegung gespürt, auch erinnere ich mich noch gut an das schreckliche Erdbeben in Norditalien im Jahre 1976 mit den Bildern der zerstörten Häuser im Fernsehen.

 

Aber dieses Naturereignis in dieser Stärke  hautnah mitzuerleben werde ich wohl niemals mehr vergessen.

 

 

 

 

 

 

Ich bin müde und immer noch etwas benommen.

 

Abgesehen davon, dass die Metro und auch alle anderen öffentlichen Transportmittel stehen, und ich ohnehin nicht nach Hause kommen kann, möchte ich im Moment eigentlich nur etwas zur Ruhe kommen.

 

 

Der Park Alameda ist beinahe zum Bersten gefüllt mit Menschen, die sich mit besorgten Mienen auf Bänken oder Grünflächen niedergelassen haben.

Ich geselle ich mich zu einigen jungen Leuten, die, zusammen mit ihren Katzen, in einer Gruppe beeinandersitzen.

Im Gespräch mit ihnen erfahre ich, dass sie sich nicht in ihre Wohnung zurücktrauen, zu groß sei die Angst vor einer “réplica”, einem Nachbeben.

 

Man richtet sich offensichtlich darauf ein, zumindest die Nacht im Freien zu verbringen, manche warten mit dem Notwendigsten in ihren Koffern auf das, was sich möglicherweise noch ereignen könnte. 

Insgesamt verbringe ich mehr als drei Stunden im Park - mittlerweile ist es gegen 18 Uhr und endlich!

Ich habe Kontakt mit meinem Freund, er ist wohlauf, aber im Haus ist vieles zerbrochen. Er berichtet mir, dass unweit seiner Wohnstraße Häuser eingestürzt sind und darunter Menschen begraben liegen.

Auch dort herrscht Chaos und er erzählt mir, dass die Menschen mit ihren bloßen Händen versuchen, die Gebäudetrümmer zu entfernen, um darunter Verschüttete zu bergen.

Keine guten Nachrichten also.

 

Ich möchte nur noch nach Hause

 

Gegen 19 Uhr schaffe ich es endlich eine Metro-Station zu erreichen und mich auf den Heimweg zu begeben. 

Ich habe Hunger, daher werde ich auf dem Heimweg noch einkaufen, und noch weiß ich noch nichts von der "Überraschung", die mich noch erwarten wird.

Die Metro ist überfüllt und auch hier ist die Stimmung noch etwas angespannt.

 

Ehrlich gesagt - auch mir ist nicht ganz wohl dabei, mich unter der Erde zu bewegen ...

 

 

 

 

 

 

Aus meinem Vorhaben, noch einige Einkäufe zu erledigen, wird dann doch nichts mehr.

 

Der Supermarkt , in dem ich regelmäßig eingekauft habe, liegt in Schutt und Trümmern.

Zum Glück, berichtet mir ein Polizist, sind keine Menschen umgekommen, aber viele Fahrzeugbesitzer stehen ratlos vor ihren zertrümmerten Fahrzeugen.

 

EL ESTADO DE ALERTA - allzeit bereit!

 

Endlich zu Hause angekommen nehme ich die Ratschläge meines Freundes ernst und treffe für die bevorstehende Nacht Vorkehrungen, um für ein mögliches Nachbeben gerüstet zu sein.

Ich schlafe angezogen im Untergeschoß meiner Casita, Schuhe, Dokumente und etwas Geld in Reichweite, ebenso eine Taschenlampe.

Denn einen Satz habe ich heute nicht nur einmal gehört:

“Hay que mantenerse en alerta....”  Man muss mit allem rechnen...

 

 

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