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MEXIKO ERLEBEN Cochenille - Das Rot Mexikos

 

 

 

Die Geschichte der Cochenille, eines kleinen saugenden Insekts mit besonderen Eigenschaften,  ist eine jener, die bereits in meiner Jugendzeit, vor allem in den Diskotheken, ihre Runde gemacht hat und unter die Kategorie “Schauermärchen” fiel. Meistens wurde sie beim Genuss von Campari - Orange, einem legendären Getränk zur Disco-Zeit, zum Thema.

 

Die Meisten glaubten nicht daran, dass dieses wunderschöne Rot des Camparigetränkes von einer Laus stammen sollte und möglicherweise war der Gedanke daran, dass etwas Wahres dahinter stecken könnte der Grund, warum Campari nie zu meinen Lieblingsgetränken  zählte. 

 

Nichtsdestotrotz war ich neugierig und hatte das Glück, im Rahmen der Ausstellung "Rojo Mexicano" im Palacio de Bellas Artes in Mexiko-Stadt wirklich alles über dieses kleine Insekt und seine besonderen Eigenschaften zu erfahren. 

 

Das schöne Campari-Rot ensteht heutzutage durch synthetische Farbstoffe, die die ursprünglich aus der Chenille-Schildlaus gewonnene Karminsäure ablöste. 

 

 

 

Bildquelle: Google

Ein Geschenk für den König

 

Es war José Antonio Alzate y Ramírez, Theologe und Priester, der im 18. Jahrhundert als Missionar nach Mexiko gekommen war und dem damaligen König Neuspaniens, Don Charlos III., ein besonderes Geschenk machte.

Er hatte sich in seinen Naturstudien eingehend mit einem kleinen Insekt beschäftigt, das sich auf bestimmten Kakteen, den Opuntien oder Nopales, wie sie in Mexiko genannt werden, vermehrte:

 

la grana cochinilla oder Cochenille-Schildlaus ( mehr darüber lesen).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In seinem, mit wunderbaren Naturstudien ausgeschmückten Werk “Memoria” , das dem König gewidmet war, zeichnet und beschreibt er das kleine saugende Insekt, dessen Vorkommen, Ernte, Verarbeitung und Gebrauch. 

 

 

Ramírez beschrieb das Insekt als weiß und dick, mit starker Ähnlichkeit zur der den Menschen in Europa  bekannten Kopflaus.

Zerdrücke man sie, erhielte man einen wunderschönen roten Farbstoff.

 

 

Er wusste ausserdem, dass dieser rote Farbstoff und seine vielseitigen Kolorationen bereits bei den Azteken zur Färbung von Federn, Stoffen, Lebensmittel sowie als Tinte bei der Gestaltung der Codices verwendet wurde.

 

Aber - so fügte er noch hinzu: man brauche Unmengen davon!

 

Für einen Kilo des Farbstoffes benötige man 100.000 der kleinen Käferchen.

 

 

 

 

Auch der spanische Missionar und Ethnologe Bernardino von Sahagún  beschäftigte sich mit der Cochenille.

 

Mit dem Codex Florentino  verfasste er das bedeutendste zeitgenössische Werk über das Leben und die Kultur der Azteken, das  2015 von der UNESCO zum Weltdokumenterbe erklärt wurde.

 

In Kapitel Elf beschreibt er neben Vorkommen, Kultur, Ernte und Aufbereitung die Vielfältigkeit der Farben, die man schon in prähispanischer Zeit herzustellen wusste. Auch zahlreiche Rezepturen sind darin enthalten.

(mehr darüber lesen).

 

 

 

Doch die Geschichte der kleinen Cochinilla beginnt nicht erst mit den Aufzeichnungen in den Codices, sondern schon viel früher.

 

 

Wie alles begann...

Einer der ersten Codices, der Codex Mendoza aus der Zeit um 1541, nennt prähispanische Stämme, die den Farbstoff ins Tal von Mexiko ( das heutige Mexiko-Stadt) brachten.

 

Einige Seiten im Codex sind dem Stammesverzeichnis gewidmet. Darin werden die Stämme der Nochiztlán, Cuicatlán und Zapotlán aus dem Gebiet von Oaxaca erwähnt, die bereits lange vor der Zeit der Spanier im Umgang mit dem Farbstoff sehr versiert gewesen seien.

 

 

Die folgenden Bilder zeigen, wie vielfältig der Verwendungsbereich der Cochenille bereits bei den antiken Mexicas war.

 

 

Mit der Konquistation begann der kometenhafte Aufstieg der Cochenilleschildlaus, Grana Cochinilla, wie man sie in Mexiko nennt. 

 

Um 1523 herum lief das erste Frachtschiff mit der wertvollen Ladung an Farbstoff aus dem Hafen von Veracruz aus, um seinen Siegeszug nach Europa zu starten.

 

 

Um den Handel anzukurbeln verabschiedeten die Spanier gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Verordnung, die die Indigenas dazu verpflichtete, die Produktion der Cochinilla voranzutreiben und ihre Produkte an die spanischen Eroberer gegen Vorauszahlung zu verkaufen.  

 

 

 

Neben der Verwendung in den Codices fand die Farbe Verwendung in der Herstellung von Textilien, Federschmuck, Möbeln, Tapeten und in der Produktion von Lebensmitteln.

Im 17. Jahrhundert waren die Produktionsrouten in Neuspanien bereits sehr gut ausgebaut. Vom Hafen von Veracruz aus ging die Ware nach Europa.

 

 

Die Cochenilleschildlaus in der Kunst

 

 

Im Laufe des 16. Jahrhunderts entdeckten auch Maler und Künstler den besonderen Reiz und die Qualität des roten Pigments.

 

Der spanische Maler Andrés de Concha, der 1568 nach Mexiko kam, war einer der ersten, der den Vorteil der intensiven Farbeigenschaften für seine Gemälde nutzte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             

"Martirio de San Antonio"

Andrés de Concha

Museo Nacional de Arte, Ciudad de México

 

 

Mit der Ankunft des Farbpigments in Europa erkannten die Künstler und Maler schnell seine außergewöhnlichen Eigenschaften sowie die besondere Leuchtkraft  zu schätzen und das Karminrot der Cochenille feierte ihren Einzug in die Gemälde von Malern, die heute zu den bedeutendsten der Kunstgeschichte zählen (mehr lesen über das Cochenille-Rot in der Kunst).

 

 

 

 

 

 

 

Einer jener Künstler war Vincent van Gogh.

 

Nach den Untersuchungen im Rahmen der Ausstellung “Rojo Mexicano”, die im Museum von Bellas Artes stattfand, fand die Farbe der Grana Cochinilla in rund fünfzig seiner Gemälde Verwendung.

 

 

 

Vincent van Gogh, 1888

Das Schlafzimmer in Arlés

Öl auf Leinwand, 72 x 90 cm

Van Gogh Museum, Amsterdam

 

Renoir`s wahre Farben

 

 

Auch dieses 1883 von einem der der bedeutendsten französischen Impressionisten, Auguste Renoir,  angefertigte Porträt enthält die Farbe der Cochenille, obwohl seine wahre Brillanz erst durch ein aufwendiges Forschungsprojekt zutage gebracht werden konnte ( mehr darüber lesen). 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pierre-Auguste Renoir

Madam Léon Clapisson, 1883

Öl auf Leinwand

 

Art Institute of Chicago, Collection Ryerson

Industrialisierung und Rückgang des Cochenillerots

Cochenille hatte, neben der ungünstigen Eigenschaft der schwachen Lichtbeständigkeit, noch einen weitern Nachteil - es war - aufgrund des aufwendigen Herstellungsprozesses - relativ teuer.

 

Mit dem Zeitalter der Industrialisierung und der Gründung größerer chemischer Unternehmen ging gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Absatz des echten Cochenillerots drastisch zurück. 

 

Die deutschen BASF ( Basische-Anilin- und Seifenfabrik) war eines der ersten Industrieunternehmen, das mit der Produktion des Anilins den industriellen Ersatz von vielen natürlichen Pigmentfarben ermöglichte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Cochenillerot A, einem wasserlöslicher Azofarbstoff, sorgte von nun an für einen farbbeständigeren und billigeren Ersatz. 

 

Cochenillerot wird heute hauptsächlich als Lebensmittelfarbstoff unter dem Kürzel E 124 verwendet, sein Einsatz ist allerdings gesundheitlich umstritten.

 

 

In den USA, Norwegen und Finnland wird das Chochenillerot E 124 als krebserregend eingestuft und ist als Einsatz in Lebensmitteln verboten.

 

Da es in Verdacht steht Neurodermitis, Asthma bronchiale und ADHS auszuösen, müssen seit dem 20. Juli 2010 Lebensmittel, die den Azofarbstoff enthalten, in der Europäischen Union mit einem gesonderten Warnhinweis gekennzeichnet werden.

 

Dies gilt allerdings nicht für alkoholhaltige Getränke. 

 

 

Die ganze Wahrheit über das Camparirot

 

 

Tatsächlich gab für lange Zeit der aus den Cochenilleschildläusen gewonnene natürliche Farbstoff Karmin ( E 120) dem Getränk die intensiv die rote Farbe.

Erst im Jahre 2006 stellte das italienische Unternehmen schließlich die Produktion um und verwendete fortan nur noch die Farbstoffe Tartrazin ( E 102), Azorubin ( E 122) und Brillantblau FCF ( E 133) zur Farbgebung des Getränkes und es sind keine Inhaltsstoffe tierischer Herkunft mehr enthalten..

 

 

 

... und hier gibt`s den Link zu einem der neuesten Abenteuer!

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